Mai 2019 - Wolfgang Rau 2019

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Hier erscheinen in loser Folge Anmerkungen zum lokalen Geschehen in Zwickau und anderen Themen, zu denen ich etwas sagen möchte


19.05.2019
Die Antwort auf "Smaxiz"

Kurz vor der Wahl will sich Christopher Kühn, alias "Smaxiz", Kandidat für die "Bürger für Zwickau", in den Stadtrat rappen. So berichtete es die am 18.05.2019 die Freie Presse. Das interessiert mich nartürlich. Also Kühns Youtunbe-Kanal aufgerufen und Video angesehen. Professionell gemachter Wahlsong, wie heute meist üblich als Sprechgesang mit dem Refrain "Gib mir Deine Stimme ... ".  Auch wenn ich Christopher Kühn meine Stimme(n) aus naheliegenden Gründen nicht geben werde, finde ich es gut, wenn sich junge Leute mit ihrer Stadt auch musikalisch auseinandersetzen - und sei es in einem Wahlvideo. So was belebt den viel zu sehr plakat- und flyerlastigen Kommunalwahlkampf. Und es fordert heraus, denn alle gerapten Aussagen kann man denn doch nicht so stehen lassen, vor allem nicht die, dass Zwickau eine Geisterstadt sei.. Deshalb hier die Singersong-Antwort auf Smaxiz, weil Rap entspricht nicht so ganz meiner Altersklasse. Leider werde ich es wohl nicht mehr schaffen, vor der Wahl noch ein halbwegs ansehnliches Video mit dem Song zu drehen. Aber das kommt noch.

Mein Zwickau, du schöne, du schwierige Stadt,
warum bist du nur so bescheiden?
Du bist eine, die doch zu bieten viel hat
und kannst dich trotzdem oft nicht leiden.
Komm reiß dich am Riemen, dann wirst du schon sehn,
du kriegst noch viel mehr auf die Reihe.
Du hast doch bestimmt noch ‘ne Menge Idee‘n

Ach Zwickau, komm leb und gedeihe.
Du bist keine City und liegst nicht am Meer.
Kein König woll’t was von dir wissen.
Dich prägte die Arbeit schon von alters her,
lagst niemals auf dem Ruhekissen.
Na klar trugst du auch manche Schramme davon
und einige kann man noch sehen.
Doch viele sind heute Vergangenheit schon.

Der Rest, der wird auch noch vergehen.
Du bist ganz bestimmt keine Geisterstadt heut.
Lass dir so was bloß nicht gefallen!
Du brauchst nur für Manches ein bisschen viel Zeit,
doch du wirst die Beste von allen.
Von Mosel bis Planitz, von Pöhlau bis Brand
gibt’s Menschen die dich wirklich lieben
und gern an dir bauen mit Herz und Verstand,
wie ich, das ist nicht übertrieben.

16.05.2019
Finale Entgegnung

 
Es gibt viele Themen, die können einem durchaus auf den Magen schlagen. Klimawandel, Ärztemangel, Migration, Pflegenotstand, Digitalisierung …, die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Die Zeit ist für viele Menschen zu schnelllebig und unsicher geworden. Sie glauben den Halt zu verlieren, haben Angst. Aus der Angst können Enttäuschung und Wut erwachsen. Und aus Wut werden nicht selten Trotz, Hass und leider auch Gewalt.
 
Aber bleiben wir mal beim Trotz. Der ist ja dadurch gekennzeichnet, dass er sich Argumenten verweigert. „Diese Suppe ess‘ ich nicht“ – Basta - strampel, heul, schrei! Insbesondere bei kleineren Kindern ist Trotz ein normaler Teil der Entwicklung. Es gilt Grenzen auszutesten und seine Durchsetzungsfähigkeit zu trainieren, oft sehr zum Leidwesen der Eltern. Aber die Natur hat es glücklicherweise so eingerichtet, dass diese Phase vorüber geht. Ohne die Überwindung des Trotzes kann man kein kommunikations- und kooperationsfähiges Wesen werden. Aber wenn diffuse Ängste ins Spiel kommen, reagiert so mancher Kopf offensichtlich mit einem Rückfall ins Kleinkindalter.
 
„Du kannst erzählen was du willst, diesmal wähle ich Protest, deutsch, Denkzettel.“ So oder so ähnlich bekommt man es als Wahlkämpfer einer „etablierten“ Partei zu hören. Beileibe nicht von allen, aber von eindeutig zu vielen. Weist man dann dezent darauf hin, dass es bei der Stadtratswahl um das richtige Konzept zur Wirtschaftsförderung, die Prioritäten im Straßenbau, oder die freiwilligen sozialen Leistungen der Stadt geht, nicht aber um die Außengrenzen der EU, setzt sofort das Argument-Blocking ein. Da interessiert es nicht, dass das konzeptlose, in sich zerstrittene und noch dazu inkompetente rechte Lager keines der durch den Stadtrat beeinflussbaren Zwickauer Probleme lösen wird, ja gar nicht lösen will, denn Unzufriedenheit ist bekanntlich sein Nährboden.
 
Populistische Politik hat noch nie Probleme wirklich behoben, sondern sie letztendlich immer verschärft, manchmal bis hin zur Katastrophe. Gerade wir Deutschen müssten das wissen. Aber Wut und Trotz sind starke Emotionen. Sie verweigern sich dem rationalen Denken, nehmen auch den Schmerz und manchmal sogar mehr in Kauf. In den vergangenen Wochen habe ich bei manchem Gespräch argumentiert, dass es doch nicht gut wäre, Magendrücken mit Arsen zu bekämpfen. Gestern sagte mir einer: „Doch, dann bin ich das ein für alle Mal los.“ Fürwahr, eine finale Entgegnung.
 
 
Glücklicherweise denkt die große Mehrheit der Menschen doch anders. Ihr rufe ich zu: Geht am 26. Mai wählen!

06.05.2019
Es gibt sie noch!

Eigentlich wollte ich im grünen Bürgerbüro nur ein Problem klären, dass ich mit dem Anbringen unserer Wahlplakate hatte. Wie befürchtet, gab es in den mir obliegenden Straßen nämlich keine Hängeplätze mehr und man braucht ein Auto, um die wenigen in der Stadt noch verbliebenen freien Möglichkeiten zum Anbammeln der raumgreifenden Druckerzeugnisse zu finden. Aber solch einen fahrbaren Untersatz habe ich nicht, und so muss den Job ein etwas mobilerer Wahlkämpfer übernehmen. Natürlich darf es auch gerne eine Wahlkämpferin sein.

Heike, die gute Seele unseres Büros, nahm sich meines Problems an und begann es e-mailend zu lösen. Währenddessen betraten einige Exemplare jener Spezies den Raum, die Heikes Arbeitsplatz ihren Namen geben, nämlich Bürger. Und die können von sehr unterschiedlicher Wesensart sein. Ein Exemplar der Gattung „allwissender Weltverschwörungsexperte mit Extrem-Adrenalinspiegel“ verließ uns glücklicherweise laut brüllend wieder, bevor er unter Anrichtung größeren Schadens explodieren konnte. Nochmal Schwein gehabt. Wesentlich angenehmer war da schon ein älterer Herr, der vermutete, dass Deutschlands Staatsform eine Kleptokratie sei. Dieser Begriff setzt sich aus den griechischen Wortstämmen kléptein ‚stehlen‘ und kratía ‚Herrschaft‘ zusammen. Und in der Tat gibt es eine ganze Reihe Länder, in denen eine kleine Schmarotzerschicht Staat und Volk hemmungslos ausplündert wofür sie auch noch gefeiert werden möchte. Deutschland gehört, bei aller Ungerechtigkeit die es auch hier gibt, nicht dazu. Unser Gegenüber von dieser Einschätzung zu überzeugen kostete Mühe und ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, ob es nachhaltig gelang. Aber schon die Bereitschaft, sich Argumente anzuhören, sie gegen die eigene Position abzuwägen und ruhig zu argumentieren, ist in der heutigen hyperventilierenden Zeit eine Wohltat. Es ist viel Misstrauen zwischen Politik und Bürgerschaft entstanden. Scharfmacher und Populisten nutzen das aus. Sie vertiefen die Gräben genüsslich weiter in der Hoffnung, dass Wut und Hass sie dorthin spülen, wo es was zu holen gibt.

Jener ältere Herr verlies uns nicht mit der Zusage, nun auch ganz bestimmt grün zu wählen. Doch er freute sich sichtlich darüber, dass wir uns Zeit für ihn genommen hatten. Dann bediente er sich noch ausgiebig an jenem Regal, in dem, oft unbeachtet, unsere Faltblätter und Informationsbroschüren lagern. Ohne Hast steckte er alles in einen Beutel, in dem sich erkennbar bereits Materialien politischer Konkurrenten befanden. Ein wenig erinnerte mich die Szene an Besuche der Leipziger Messe zur DDR-Zeit. Gefühlt tonnenweise schleppte ich damals Prospekte und Leseproben heim, um daraus Dinge zu erfahren, die nicht in den schnell vergilbenden Druckerzeugnissen des real existierenden Sozialismus‘ standen. Wir waren informationell ausgehungert und sehnten uns nach einem Wandel hin zur mehr Freiheit. Welch ein Kontrast zu heute, wo viel zu viele Menschen vor der Informationsflut in virtuelle Filterblasen und Echokammern fliehen, weil sie Angst vor Veränderungen haben. Aber es gibt sie eben doch noch, die Jäger und Sammler, für die es lohnen könnte, ein Wahlprogramm zu schreiben.

01.05.2019
Hut ab!

Vor 100 Jahren war er das erste Mal arbeitsfrei, der Tag der Arbeit. Menschen, die sich professionell oder als Hobby mit Politik befassen, haben am 1. Mai dennoch gut zu tun. Standbetreuung ist angesagt. Denn kaum eine Partei oder Wählervereinigung möchte die Gewerkschaften auf ihren Mai Kundgebungen oder Familienfesten alleine lassen. Schon gar nicht in Wahlkampfzeiten.

Und so waren sie denn fast alle da mit ihren Beachflags, Schirmen und Info-Tischen. Nur die AFD glänzte mit Abwesenheit. Aber die hat hier auch keiner ernsthaft vermisst. Und wie üblich war man ziemlich unter sich. Fast jeder kannte jeden. Auf die Idee, Wahlkampf zu machen, kann erst mal niemand, denn man wusste schließlich um die politische Festgelegtheit der Anderen. Smalltalk war das Gebot der Stunde, garniert mit der gegenseitigen Übergabe von Kandidatenflyern, Programmen und Giveaways. Ich wurde von den Bürgern für Zwickau mit Gummibärchen eingedeckt und revanchierte mich mit einer grasgrünen Pustewindmühle. Aber anstatt, wie üblich, mau anzufangen und dann langsam nach-zulassen nahm das Begängnis auf den Hauptmarkt diesmal einen anderen Verlauf. Je länger es dauerte, desto mehr unbekannte Gesichter tauchten auf. Provokateure, Spione oder gar getarnte Journalisten, die nach der Vertreibung des damaligen Bundesjustizministers Heiko Maas 2016 auf neue Sensationsbilder hofften?

Nichts von alledem. Es waren ganz normale Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und ihres Umlands, die ahnungslos in eine perfide Falle des örtlichen DGB tappten. Der wollte nämlich, wie aus einem Geheimpapier, dass mir nicht vorliegt, hervorgeht, diesmal unbedingt die zentrale Maikundgebung ausrichten. Aber nachdem die Leipziger Gewerkschafter kurz mit Liebes- und sogar Mitgliederentzug drohten, erhielten sie doch den Zuschlag. Sowas wurmt. Aber die Kreisvorsitzende, Sabine Zimmermann, ist kein Kind von Traurigkeit und sann auf Rache. „Und wenn die Leipziger zehnmal den Zuschlag haben, wir kriegen mehr Leute auf die Beine - holt mir ‚City‘ her!“ befahl sie.

Wie ihre Untergebenen es schafften, die DDR-Kultband tatsächlich in unsere Stadt zu bringen, bleibt ein Geheimnis, das nicht mal in dem mir immer noch unbekannten oben genannten Geheimpapier zu finden ist. Jedenfalls hat es geklappt. Und wenn man die Zwickauerinnen und Zwickauer samt Speckgürtelbewohner*innen bei geilem Wetter mit noch geilerer kostenloser Musik lockt, dann setzt bei ihnen der Stadtfest-Reflex ein. Und sie strömen in Scharen.

Dem Absatz von Flyern und dergleichen hat der unerwartete Publikumszuwachs jedenfalls gutgetan. Wahlmotivierende Gespräche waren aber in Anbetracht der Durchsetzungsfä-higkeit gewerkschaftlicher Lautsprechertechnik nur ansatzweise möglich. 5500 Menschen sollen es gewesen sein, die schließlich dem Eingangstitel von „City“ „Leuchtspur durch die Zeit“ lauschten. Was ist dagegen schon die Zahl von nicht mal 80 Leuten, die auf dem benachbarten Kornmarkt André Poggenburg und seine Gefolgsleute hören wollten, die sich auch noch von einem getragene Abend(land)lieder spielenden Flügelhornisten irritiert fühlten.

Chapeau DGB – weiter so!

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